Acht an schwarzen und weißen Tasten
Hochwertiger Klavierzauber abendfüllend beim Offenbacher Neujahrskonzert im Büsingpalais
Was sind schon drei Tenöre oder vier Soprane gegen acht Pianisten? Offenbach schöpft hier aus dem Vollen, zudem
auf beachtlichem Niveau. Und beim Neujahrskonzert des "Forum Kultur" im ausverkauften Büsingpalais beeindruckte denn wieder einmal der musikalische Gemeinsinn von einer Dame und sieben Herren ebenso
wie das spannende Programm, diesmal unter dem Motto "8 Herzen im ¾-Takt". Die pochten intensiv in Dur und Moll und dauerhaft in Walzer-Rhythmen - und dies gleich zweimal.
Auch das abendliche Benefiz für die Opfer der mörderischen Flut war bis auf wenige Plätze ausverkauft. Und weil
die Künstler ohne Gagen, aber so herzhaft auftraten, als seien sie erst jetzt richtig warm gespielt, konnte die gemeinnützige Elterninitiative "CHANCE" 4.700 Euro in Empfang nehmen. Sie betreibt in Sri
Lanka am Rande der Stadt Ambalangoda ein Waisenhaus, jetzt Sammelpunkt für Kinder, die verletzt sind oder bei der Flut ihre Eltern verloren haben - direkter kann Hilfe kaum sein.
Zwei Konzertstunden in einem Rhythmus: Das kann selbst bei Kurorchestern zum langweiligen "Hmtata"
sich ausleiern. Nicht so bei den acht Offenbacher Tastenmeistern, die zudem in Peter Kunz-von Gymnich einen Moderator besitzen, der die "Tanzwut des 19. Jahrhunderts" anschaulich beplauderte, wie er
dem Walzertakt in Klassik, Jazz und Pop auf den Grund ging. Nach guter Kunz-von-Gymnich-Art: Das Ganze durch pointierte Zitate großer musikalischer Geister auszierend.
Und es begann gleich mit einem modernistischen Paukenschlag, den Elena Kotschergina und Olaf Joksch vierhändig
souverän platzierten. Federico Mompellios (geb. 1908) drei Sätze aus "Crumbs" suchten in musikalischen "Krümeln" und wurden fündig. Klangliche Nebensätze werden hier geschickt zu Hauptsätzen
aufgezäumt, eine Art Präludium, das sich zum Foxtrott ausweitet, der das Terrain für einen absolut verfremdeten Donauwellen-Walzer bereitet. Den Namen Mompellio wird man sich merken.
Der Romantik eines Brahms, Max Regers bis hin zur Rückbesinnung des 1960 verstorbenen Komponisten Ernst von
Dohnányi hatten sich Werner Fürst und Jürgen Blume versichert, erhaben übers Pianistische die jeweilige Stilistik ideal ausstellend. Volkstümliches Melos, kunstvoll gebändigt, wie das die Sexten im wohl
berühmtesten Brahms-Walzer A-Dur verkünden, zog sich wie ein roter Faden durch diesen Programmpfeiler.
Franz Liszts "Bagatelle sans tonalité" nahm schon 1883 das Lustwandeln an den Grenzen der Tonalität
der Komponisten des 20. Jahrhunderts vorweg. Frank Spannaus präsentierte kernig und mit typisch Listz’schem Diskant-Glitzer eine Rarität mit ebenso seltenem Fragezeichen-Schluss. Kunz-von Gymnichs
Blue Waltz Rondeau hat einen theoretischen Unterbau, die Rückkehr in eine geliebte Stadt und hier der Weg zu Aussichtspunkten und zurück, vom Komponisten selbst in aparten Blue Notes, viel Akkord-Pfefferminz und
Jazz-Walzer-Flair erkundet.
Wenn sich einer auf die Klangchemie der französischen Impressionisten versteht, ist das Ronald Fries, der in
Debussys "Les fées sont d’exquises danseuses" für sensiblen Feenzauber sorgte. Auch der klavieristische Zierrat auf ostinate Walzer-Begleitung in Chopins beschaulicher "Berceuse", war
bei dem Bieberer wieder in besten Händen.
Einen wahrlich schweren Brocken hatte Hans-Wolfram Hooge gestemmt - mit den Kreisler-Walzern
"Liebesleid" und "Liebesfreud" des großen Geigers, Altwiener Charme im virtuosen Klaviergewand des genialen Rachmaninow. Ehe Werner Fürst und Jürgen Blume sich in die elegische Gedankenwelt
von Gabriel Faurés junger Dame "Dolly" versenkten, diese in einen typisch spanischen Dreiertakt mit wahrem Tastenrausch überführten, und Spannaus noch Chopins Polonäse A-Dur geziemenden
orchestralen Effekt andiente.
Schon diese Aufzählung an Originärem und Originellem zeigt: Platte Walzertakte waren abendfüllend verpönt. Als
heftig geforderte Zugabe kam schließlich Johann Strauß’ "Donauwellen" dank Frank Spannaus noch im Original zur Geltung. Eine würdige Dame hätte da am liebsten geschunkelt …
KLAUS ACKERMANN
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