KRITIK AUF DEN KULTURSEITEN der Ausgabe vom Dienstag, 8. Januar 2002 Temperamente an Klaviertasten
Netzwerk in Reinkultur: Acht mit Offenbach eng verbandelte Pianisten zogen zum Neujahrskonzert im ausverkauften Büsingpalais einen "Tanz auf allen Tasten" ab,
der es in sich hatte. Das lag nicht nur an den acht Klavier-Temperamenten, die sich an zwei Flügeln teilweise vierhändig tummelten, sondern auch an einem Programm, das stilistische Kopfarbeit verlangte und
musikantischen Pfeffer bezeugte.
Schon erstaunlich, wie es Peter Josef Kunz-von Gymnich, der auch als kurzweiliger Moderator auftrat, geschafft hatte, diese verschiedenartigen Charaktere - von der Konzertpianistin
über den hauptamtlichen Organisten bis hin zum unverblümten Jazzer - unter einen konzertanten Hut zu bekommen. Doch auch hier richtete es wieder einmal die tänzerisch-seriöse Mischung und jene lange Leine, die aufregendes
solistisches Eigenleben gestattete.
Vorsicht war zum Auftakt geboten. Denn Richard Wagners "Meistersinger"-Vorspiel in der Fassung von Max Reger hielt auch für vier Pianisten an zwei Klavieren (im Original sind
es zwei) noch genügend technische Klippen bereit. So fühlte man sich zu Beginn in die betuliche Bayreuther "Meistersinger"-Inszenierung von Wolfgang Wagner versetzt, noch immer am Grünen Hügel zu sehen. Doch
schon bald schien das Eis gebrochen, lockten Hans-Wolfram Hooge und Peter Josef Kunz-von Gymnich sowie Markus Meier und Frank Spannaus die von Reger noch verstärkte Farbigkeit und die festlichen Fanfaren, hier wie von
Orgelvorbildern geprägt.
Apollinischer Zauber dann im Duettino Concertante nach Mozart (Krönungskonzert) für zwei Klaviere von Ferrucio Busoni, mit charmanter, perlender Geläufigkeit und kapellmeisterlicher
Souveränität von Elena Kotschergina und Olaf Joksch durchformt. Offenbachs Dame du Piano und Blume ließen anschließend die himmlischen Längen des Grand Rondeau A-Dur von Franz Schubert vergessen. Mozart schien hier ins delikate
romantische Lied überführt, vom Duo mit feinfühliger Anschlagskunst erkundet, die auch den grummelnden Bass zuließ.
In Smetanas Rondeau C-Dur spielten Ronald Fries, Meier, Hooge und Blume griffige Tanzmusik von
akademischem Anspruch, die in einer süffigen Stretta endete. Unverblümtes Virtuosentum dienten Fries und der ideal sekundierende Kunz-von Gymnich dann vierhändig drei Ungarischen Tänzen von Johannes Brahms an. Atmosphärisch
dicht Camille Saint-Saens' Introduction und Rondo Capriccio, ursprünglich für Geige und Streicher, hier von Kotschergina und Joksch an zwei Klavieren auch rhythmisch mit Verve ausgestellt.
Ein wenig Jazz bringt
Würze, vor allem wenn Spannaus und Meier den Grenzgänger Keith Jarrett sowie den Vibraphonisten Gary Burton wieder beleben. "Moonchild / In Your Quiet Place" bot einen Balladengang mit viel Akkord-Pfefferminz und
stilistisch gut eingepassten Improvisationen. Da war nach stürmischem Beifall die Zeit reif für Scott Joplin, dessen "Maple Leaf Rag" und unverwüstlicher "Entertainer" zur puren Lustbarkeit
gediehen.
Fazit: Die dritte Offenbacher Pianistenparade sollte keine konzertante Eintagsfliege bleiben. Auch angesichts der vielen Leute, die am Sonntag wegen Überfüllung des Büsingpalais heimgeschickt werden
mussten.
KLAUS ACKERMANN
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